Über die Unart, erlittenes Unrecht stillschweigend in sich hineinzufressen.
Einen vor sich hin weinenden Jungen fragte Herr Keuner nach dem Grund seines Kummers.
»Ich hatte zwei Groschen für das Kino beisammen«, sagte der Knabe, »da kam ein Junge und riss mir einen aus der Hand«, und er zeigte auf einen Jungen, der in einiger Entfernung zu sehen war.
»Hast du denn nicht um Hilfe geschrien?« fragte Herr Keuner.
»Doch« sagte der Junge und schluchzte ein wenig stärker.
»Hat dich niemand gehört?« fragte ihn Herr Keuner weiter, ihn liebevoll streichelnd.
»Nein« schluchzte der Junge.
»Kannst du denn nicht lauter schreien?« fragte Herr Keuner.
»Nein«, sagte der Junge und blickte ihn mit neuer Hoffnung an. Denn Herr Kkeuner lächelte.
»Dann gib auch den her«, sagte er, nahm ihm den letzten Groschen aus der Hand und ging unbekümmert weiter.
Der hilflose Knabe – Geschichte von Bertolt Brecht
Was für ein fieser Typ – dieser Herr Keuner!
Ich habe diese Geschichte bestimmt schon während der Schule gelesen. Bertolt Brecht und Kafka waren die Lieblingsautoren der Deutschlehrerin. Und irgendwie kommt mir der Name “Herr Keuner” bekannt vor.
Ich bin ein großer Fan von Brecht und ich dachte, an einem 1. Mai, den man in Quarantäne verbringen muß, wäre das ein guter Beitrag. Trifft zumindest meine Stimmung.