GEFÄNGNIS WEGEN RECHTSBEUGUNG – Dreieinhalb Jahre für Richter

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Spiegel.de

Stuttgart – Wegen Rechtsbeugung hat das Stuttgarter Landgericht am Freitag einen früheren Vormundschaftsrichter zu drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Die Strafkammer sieht es als erwiesen an, dass der 45-Jährige als Amtsrichter Maßnahmen wie Bauchgurte oder Bettgitter für Pflegeheimbewohner genehmigte, ohne die Betroffenen anzuhören. In mehreren Fällen erteilte er Genehmigungen für bereits gestorbene Patienten.

Die Staatsanwaltschaft hatte vier Jahre Gefängnis gefordert, die Verteidigung Freispruch. Der Richter wurde wegen der Vorwürfe vom Dienst suspendiert. “Der Angeklagte hat sich in hohem Maße über gesetzliche Vorschriften hinweggesetzt”, sagte die Richterin Helga Müller. Er habe von März 2003 bis November 2006 die freiheitsentziehenden Maßnahmen angeordnet und teilweise nach Aktenlage entschieden oder nur mit dem Personal der verschiedenen Pflegeheime gesprochen. In einem Fall habe er jemanden in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht, ohne das vorgeschriebene Sachverständigengutachten einzuholen.

Zu den Motiven des 45-Jährigen sagte Müller sagte, der Angeklagte habe sich die Arbeit erleichtern wollen und mehr freie Zeit für sich und seine Familie herausholen. In seiner Freizeit hielt er ausgerechnet Vorträge über das Betreuungsrecht.

Zuletzt war er am Amtsgericht in Nürtingen tätig. Anfang Dezember 2006 war bekanntgeworden, dass ein Senioren- und Pflegeheim einen Beschluss des Vormundschaftsrichters erhalten hatte, in dem die Anbringung mechanischer Vorrichtungen zum Schutz einer betreuten Person nach angeblicher Anhörung genehmigt wurde. Die Person war aber bereits gestorben.

In mehreren anderen Fällen, über die der 45-Jährige zu entscheiden hatte, waren die Betroffenen auch schon gestorben. Richterin Müller sagte, der Angeklagte habe fingierte Protokolle erstellt. So seien auf den Protokollen kaum handschriftliche Vermerke festgestellt worden. Sie seien auch vorgefertigt worden. Seine Entscheidungen habe er oftmals in einem “stereotypen Wortlaut” formuliert ohne einen Zusatz, der auf einen bestimmten Fall hingewiesen habe.

“Auf eine Anhörung kann nicht verzichtet werden”, sagte Müller. Sie sei gesetzlich vorgeschrieben. Auf sie könne nur verzichtet werden, wenn der Gesundheitszustand des Betroffenen sie nicht zuließe. Aber darüber müsse sich ein Vormundschaftsrichter vor Ort vergewissern.

Der Haftbefehl gegen den Richter blieb weiterhin außer Vollzug. Nach der Urteilsverkündung verließ er den Gerichtssaal fluchtartig. Ob er Rechtsmittel gegen das Urteil einlegt, blieb offen.

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